Tölt – Tausend Jahre im Viertakt

Text: Flurina Barandun

Bilder: Seraina Hug, Flurina Barandun, Larina Tosio

Illustration: Petur Behrens

Was gibt es Schöneres, als sich auf dem Rücken eines geschmeidigen Tölter’s durch die Landschaft tragen zu lassen. Ein Genuss, der einem als Reiter*in jedoch selten einfach so geschenkt wird, ebenso wenig wie in den anderen Gangarten, denn es gilt auch im Tölt die Kriterien der Taktreinheit, Leichtigkeit, Geschmeidigkeit, Brisanz und Tempovarianz zu erreichen und zu erhalten. Dies macht die Qualität des Tölts aus und ist damit wertbestimmend für ein Islandpferd – auch für das Islandpferd im Freizeitgebrauch.


Kvaran frá Útnyrðingsstöðum in flottem Tölt

In geschmeidigem Tölt, Pferd und Reiter*in in Balance, das Pferd aufmerksam und konzentriert und der/die Reiter*in mit feiner Hilfengebung. Raumgriff und Takt bilden ein rhythmisches Stakkato und damit „den Klangteppich, worauf sich tanzen lässt“, mal schnell, mal langsamer. Guter Tölt ist für mich, wenn sich mein Pferd stolz und freudvoll präsentiert, munter, leicht und geschmeidig in der Bewegung ist, raumgreifend und taktklar den Rhythmus hält, sich sein Schweif in Wellenbewegungen darstellt und ein lebhaftes Ohrenspiel seine Konzentration und Aufmerksamkeit mir als Reiterin gegenüber zeigt. Dieses Gefühl zu erlangen, ist eine Herausforderung, weil der Reiter respektive die Reiterin ein gutes Timing sowie Rhythmus- und Körpergefühl braucht.

Erste Nachweise in Europa des Tölt Gens

2012 entdeckten Forscher, dass die Fähigkeit zum Pass und Tölt genetisch bedingt ist. Nur Pferde, die eine Mutation im Gen DMRT3 tragen, sind zu diesen Gangarten fähig. Unklar blieb aber bisher, woher die ersten Gangpferde in Europa stammten. Weil Islandpferde sehr häufig Pass und Tölt aufweisen, vermutete man ihren Ursprung in Skandinavien. Ob das stimmt, untersuchte das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin 2016. Man analysierte das Erbgut von 90 europäischen Pferdegebeinen aus der Zeit zwischen 6000 v. Chr. und 1000 n. Chr. Doch in Skandinavien und in Kontinentaleuropa fanden sich keine einzigen Knochenproben mit dieser Genmutation aus der Zeit vor 870 n.Chr. Bei zwei aus England stammenden Pferdegebeinen hingegen, aus der Zeit um 850 n.Chr., stiess man auf die Gang-Mutation. Das spricht dafür, dass diese Mutation bei Pferden als erstes in England vorgekommen ist. Nach Ansicht der Forscher brachten die Wikinger, die in Grossbritannien auf Raubzügen waren, solche Pferde u.a. auch mit nach Island. (Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V., 2016 – NPO)

Die Zucht
Als Züchterin weiss ich um die Abstammung meiner Pferde, kenne die Eltern einer Remonte und kann meistens schon beim Fohlen erkennen, wo seine Stärken und Schwächen liegen. Der erfahrene Züchter kann bereits bei Jungtieren abschätzen, ob es sich um einen Vier- oder Fünfgänger handelt mit viel oder wenig natürlich veranlagtem Tölt.

Je mehr natürlicher Tölt bei einem Reitpferd vorhanden ist, desto einfacher ist es, diesen auszubilden und zu festigen. Schliesslich ist der gute Tölt eines der Hauptkriterien für viele Islandpferdebesitzer. Dank sinnvoller Selektion der Zuchttiere und gezielten Anpaarungen, hat sich im Laufe der letzten Jahre meiner Erfahrung nach der Tölt bei den allermeisten Pferden vereinfacht. Viele Pferde bringen von sich aus selbstverständlicheren, geschmeidigeren und ausbalancierteren Tölt mit.

Beim Züchten sollte der Schwerpunkt auf einer guten, gleichmässigen Gangverteilung liegen, womit gemeint ist, dass die Pferde neben soliden Grundgangarten auch immer wieder gute Ansätze von Tölt und/oder Pass zeigen. Vorsicht ist geboten bei Anpaarungen von Viergängern mit zu wenig Töltveranlagung, hier kann der Tölt schnell zu einer mühevollen Gangart werden. Auch wenn mir spektakulärer Trab und Galopp sehr gefallen, ist für mich der Fünfgänger mit gleichmässiger Gangverteilung das vollständigere Islandpferd, und das entspricht auch dem isländischen Zuchtziel.


Fohlen Feykir d`Auas Sparsas im Naturtölt

Die Gangart Tölt
Betrachten wir das Gangschema des Tölts, sehen wir, dass er acht Phasen hat und wie der Schritt eine Viertakt-Gangart ohne Schwebephase ist, da in jeder der acht Phasen mindestens ein Huf am Boden fusst. Anders als der Schritt ist der Tölt aber nicht schreitend, sondern eine gelaufene Gangart. Und ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Dreibeinstütze im Schritt zur Zweibeinstütze im Tölt wird und die Zweibeinstütze des Schritts zur Einbeinstütze im Tölt. Tölt kann in verschiedenen Tempi geritten werden. Aber immer gilt: Qualität steht vor Tempo.

Tölt kann in verschiedenen Versammlungsgraden geritten werden – wie jede andere Gangart auch. Unterschieden werden kann zwischen entspanntem, mit geringerem Versammlungsgrad gerittenem Tölt, der ein gemütliches Fortkommen über längere Distanzen ermöglicht und für das Pferd wenig anstrengend ist, und dem Tölt beispielsweise im Sport, der ausdruckstärker, mit höheren Bewegungen und in grösserer Tempovarianz gefordert wird.

Sowohl Sport- wie auch Freizeitpferde sollten in der Lage sein, bei mittlerer Aufrichtung und mittlerer Bewegung entspannt Tölt zu laufen. Besonders bei Jungpferden erachte ich es als wichtig, dass diese zuerst lernen, den Rhythmus sicher zu halten und wie sie ihren Körper sinnvoll und korrekt im Tölt einsetzen können.

Wie bereits erwähnt, kann Tölt in verschiedenen Versammlungsgraden gefordert werden. Dies ist eine Thematik, die meines Erachtens noch zu wenig durchdacht und klar definiert ist. Im Sport wird gefordert, dass ein Pferd möglichst viel Last auf der Hinterhand aufnimmt, dies sowohl im langsamen wie auch im schnelleren Tempo. Im langsamen kommt mehr die Tragkraft zur Geltung, im Schnellen mehr die Schubkraft. Es sollte aber stets eine erkennbare Aufwärtstendenz im Pferd sicht- und spürbar sein, kombiniert mit einer hochweiten Bewegung der Vorhand. Doch egal, ob Sport- oder Freizeitpferd: Es ist wünschenswert, dass es sich mit weiterer Ausbildung mehr trägt, leicht in der Hand ist, dadurch mehr Last auf der Hinterhand aufnimmt und in gutem Fluss vorwärtsgeht.

Die Ausbildung
Ein wichtiger Grundsatz: Tölt ist eine Gangart wie jede andere auch. Es braucht Zeit und Geduld, diese Gangart zu fördern und zu festigen. Das Pferd braucht Aufbau und Training, damit es in Balance kommt und sich in verschiedenen Tempi schön und gleichmässig präsentieren kann.

Jedes Pferd ist anders geartet. Das eine hat zu Beginn der Ausbildung vielleicht mehr die Tendenz zu Trabverschiebungen im Tölt, das andere wiederum neigt mehr zu Passverschiebungen. Beides muss vorsichtig korrigiert werden. Das junge Pferd soll mit einer möglichst positiven Spannung im Rücken den Tölt entdecken und spielerisch die Balance und den sicheren Takt finden dürfen. Besonders wichtig ist für mich, das Pferd dort zu fördern, wo es seine Stärken hat und dort zu stärken, wo es seine Schwächen hat. Also nicht ständig nur an den Punkten ansetzen, welche ihm Mühe bereiten.

Im Idealfall arbeite ich ein Jungpferd zuerst im Schritt, Trab und Galopp, bevor es im Tölt gefördert wird. Bietet mir ein Pferd von sich aus guten Tölt an, nutze ich dies aber gern und lasse es in die Arbeit bereits einfliessen.

Eine klare Kommunikation ist unabdingbar, wenn man ein gutes Gleichgewicht, reinen Takt, Fluss und Rhythmus im Tölt erreichen möchte. In Sachen Hilfsmittel wie Gewichts-Boots, schwerer oder leichterer Beschlag, bin ich Puristin und der Meinung, dass ein Pferd rundum gleichmässig mit 8er-Eisen beschlagen und ohne Boots Tölt gehen können muss. Besonders aus züchterischer Sicht ist dies von Wichtigkeit, denn ich muss die natürliche Veranlagung des Pferdes ohne Hilfsmittel einschätzen können, um in der Zucht Fortschritte zu erzielen.

Tölt kann auf dem Reitplatz wie auch im Gelände gefördert und gearbeitet werden. Besonders vorteilhaft für die Trittsicherheit und Geschmeidigkeit sind Ausritte in abwechslungsreiches Gelände. Meiner Meinung nach hilft das Training im Gelände dem Pferd motiviert und mit Fluss vorwärts zu gehen. Auf dem Reitplatz ist es je nach Pferd-/ Reiter*inkombination einfacher, konzentriert an der Rittigkeit im Tölt zu arbeiten. Hilfreiche Übungen können z.B. ein korrektes Schulterherein, Volten in verschiedenen Grössen, Handwechsel und gut gerittene Übergänge sein. Abwechslungsreiche Arbeit sowohl unter dem Sattel als auch vom Boden aus ist für mich bei der Ausbildung eines Pferdes unabdingbar, und das gilt selbstverständlich für alle Gangarten.


Tölt im Gelände mit Drift d’ Auas Sparsas

Genetik

  • CC - Das Pferd ist ein klassisch dreigängiges Pferd (selten auch viergängig).
  • CA - Das Pferd ist ein potenziell viergängiges Pferd. Kann häufig schon vor der Ausbildung Ansätze einer vierten Gangart zeigen.
  • AA - Das Pferd ist ein potenziell fünfgängiges Pferd. Überwiegend leichtgängig mit Talent zum Passgang.

Wie erkenne ich guten Tölt?

- klarer Viertakt
- Wellenbewegung im Schweif
- Geschmeidigkeit
- harmonisch-fliessender Bewegungsablauf
- zufriedener, motivierter Gesichtsausdruck mit lebhaftem Ohrenspiel
- selbsttragend mit guter Aufwärtstendenz
- entspannte*r zufriedene*r Reiter*in

Die häufigsten Fehler

- Trabtölt (Pferd ist vorderlastig und verschiebt den Tölt-Rhythmus in Richtung Trab)
- Passtölt (Pferd ist vorderlastig und verschiebt den Tölt-Rhythmus in Richtung Pass)
- Galopprolle (Pferd verliert die ideale Körperspannung und verschiebt den Tölt-Rhythmus in Richtung Galopp)

Alle Fehler können verschiedene Ursachen haben. Bei der Fehlerbehebung ist es wichtig zu beachten, dass viele verschiedene Wege zu einem guten Tölt führen können, je nach Ansatz und Technik des Trainers oder der Trainerin. Wenn Schwierigkeiten im Tölt auftreten, macht es Sinn, sich Unterstützung von einem erfahrenen Reiter oder einer erfahrenen Reiterin zu holen, denn oft liegt das Problem nicht nur beim Pferd, sondern eher beim Können und der Erfahrung der Reiter*innen

Links
https://www.flurinabarandun.com

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